"Attractants" für die Verwendung in Micro-Diets
Die Fütterung von Fischlarven mit MDs in einer Phase in der normalerweise
noch Lebendfutter im Mittelpunkt steht, birgt ein grundsätzliches Problem:
die unbeweglichen Futterpartikel die nach der Zugabe ohne Eigenbewegung
langsam durch die Wassersäule zum Boden sinken stimulieren in der Regel, im
Vergleich zu lebenden Organismen wie Rotatorien oder Artemia-Nauplien, nicht
das Beutefangverhalten der Fischlarven. Um diesem Problem zu begegnen kann
man den Umstand nutzen, dass Fischlarven nicht nur auf visuelle Reize
reagieren, sondern auch olfaktorische bzw. gustatorische Wahrnehmungen bei
der Futteraufnahme eine Rolle spielen. Deshalb sollten MDs Lockstoffe
(oder "Attractants") zugefügt werden, die sich im Idealfall langsam aus den
Partikeln lösen und so die Fischlarven zur Futteraufnahme stimulieren. Zu
diesem Thema gibt es zwar schon einige Ergebnisse, bei allen bisherigen
Versuchen wurde die Wirkung von Lockstoffen aber immer nur in Verbindung mit
der Verfütterung von MDs mit entsprechender Beimischung von potentiellen
Lockstoffen bewertet. Es gibt nach unserem Wissenstand bisher keine Versuche
zur direkten qualitativen Beobachtung und Quantifizierung der Wirkung bei
der Applikation von reinen Substanzen als potentielle Lockstoffe. Nach
unserer Einschätzung können die Ergebnisse von großem Wert sein für die
Zusammenstellung der Rezepturen für die MDs die in der zweiten Phase dieses
Projektes getestet werden sollen.
Die Auswahl der hier getesteten
Substanzen stützt sich im wesentlichen auf die in der Literatur gegenwärtig
verfügbaren Ergebnisse mit Lockstoffen bei Fischen. Hierzu gehören
verschiedene reine Aminosäuren und Naturextrakten aus z.B. Tintenfisch,
Muscheln oder Shrimps. Zusätzlich wurde ein weiterer Naturstoff getestet,
ein Extrakt aus Calanauspulver.
Für eine Negativ-Kontrolle wurde ein wirksamer Bestandteil des von Fischen
ausgeschiedenen Schreckstoffes, das Chondroitin
(u.a. sulfatierte Glykosaminoglykane), ausgewählt.
Bei den Aminosäuren wurden jeweils
Mischungen aus drei verschiedenen Konzentrationen getestet. Die
gewählten Ausgangskonzentrationen orientierten sich an Literaturergebnissen
bei denen die "Attractants" den Futtermitteln zugesetzt wurden. Daraus
wurden dann drei verschiedene Verdünnungen für die Versuche abgeleitet.
Da keine Vorstellungen darüber vorlagen, mit welcher
Geschwindigkeit und Richtung die Ausbreitung der "Attractant"-Wolken" in den
speziellen Versuchsbecken erfolgen würde (keine Belüftung, keine
Durchmischung) wurden Vorversuche mit verschiedenen Farb- beziehungsweise
Fluoreszenzfarbstoffen durchgeführt, um einen Eindruck über die
Diffusionswege der Substanzen zu erhalten. Die hierbei verwendeten
farbgebenden Substanzen waren Tinte (Pigmente), Rhodamin (fluoreszierender
Farbstoff) und Kaliumpermanganat (Oxidationsmittel mit starker Farbgebung).
Die Ergebnisse aus diesen Vorversuchen waren dann die Grundlage für die
Dosierung der Substanzen (Volumen und Frequenz) die über peristaltische
Pumpen zugegeben wurden. Die Vorversuche zur
Ausbreitung der Farbstoffe wurden ebenfalls mit einer Kamera aufgenommen, um
einen zeitlichen Abgleich der Aufenthaltsort der Larven mit der Ausbreitung
der "Attractant-Wolken" vornehmen zu können. In der folgenden Abbildung werden
Beobachtungen zur Ausbreitung von Kaliumpermanganat gezeigt.
Ausbreitung von Kaliumpermanganat
(KmNO4) in den Versuchsbecken. Im rechten Teil befindet sich eine
verschliessbare Kammer, in die die Fischlarven eingesetzt werden. Nach
einer Akklimatistaiuonsphase wird der Schieber geöffnet und die
Einleitung von "Attractants" gestartet. Die Bilder zeigen die Diffusion
nach einer, 4 und 8 Minuten (von links nach
rechts). Das Kaliumpermanganat wurde über eine peristaltische Pumpe oben
links periodisch zugegeben. Da Kaliumpermanganat eine stark oxidativ
wirkende Substanz ist, ist nicht auszuschließen, dass die Diffusionsvektoren
nicht genau denen der Aminosäuren entsprechen. Daher wurden weitere Versuche
mit Tinte und Rhodamin durchgeführt.
Wie bereits oben erwähnt war der
innovative Ansatz in diesen Versuchen, dass die zu testenden "Attractants"
nicht in ein Futtermittel eingearbeitet, sondern den Larven in gelöster Form
direkt präsentiert wurden, so dass nur die olfaktorische bzw. gustatorische
Wahrnehmung "abgefragt" wurde. Dazu wurde mit Hilfe von peristaltischen
Pumpen über einen Zeitraum von 20 min. jeweils die gesamte Menge des
vorbereiteten Aminosäuregemisches in Intervallen in die Becken injiziert
(insgesamt jeweils 100ml Volumen). Somit wurde über den gesamten
Beobachtungszeitraum eine ständig ansteigende Konzentration erreicht und ein
Gradient von links nach rechts erhalten, der etwa der Ausbreitung der
getesteten Farbstoffe entsprechen sollte und die
Reaktion der Larven gefilmt (Schwimmgeschwindigkeit und Richtung) sowie die
Anzahl Larven in einem vorher festgelegten Beobachtungsfenster in dem Teil
des Aquariums in festen Zeitabständen bestimmt in dem die Flüssigkeiten eingeleitet wurden. Die entstandenen Videos wurden mit einem
"Object-Tracking"-Verfahren ausgewertet um den Einfluss der verschiedenen
"Attractants" auf die Schwimmgeschwindigkeit, die Richtung und den
bevorzugten Aufenthaltsort zu festgelegten Zeitintervallen quantifizieren zu
können. Die so gewonnenen Daten könnten einen Aufschluss darüber geben, ob
es Präferenzen für bestimmte Stoffe beziehungsweise Extrakte gibt. Die
positiv getesteten Substanze(n) werden dann in den MDs für die Versuche in
der zweiten Phase Verwendung finden und die Wirkung im Zusammenhang mit der
MD-Fütterung untersucht.
Auswertung
Zur
Auswertung der "Attractants"–Versuche wurde eine "Objekt-Tracking"-Software
eingesetzt mit dessen
Hilfe Schwimmstrecke und Geschwindigkeit pro Zeiteinheit ermittelt werden
kann. Zusätzlich wurde alle 5 Minuten der Aufenthaltsort der Larven über
einen Gesamtzeitraum von 30 Minuten bestimmt, d.h. die Anzahl der Larven
gezählt, die sich in einem bestimmten Bereich des Beobachtungsfensters
befanden. Nach einer Reihe von Tests mit verschiedenen Tracking Programmen
fiel die Wahl auf ein automatischen Tracking-Programms, welches van
der University of North California für
die Analyse des Flugverhaltens von verschiedenen Motten
und Vogelarten entwickelt wurde.
Screenshot vom Programminterface und Videofenster des automatischen
Tracking-Programms mit 5 markierten und zu verfolgenden Larven; roter bzw.
grüne(r) Kreis(e). Das Programm orientiert sich an den Kontrasten der Pixel
im Video und versucht somit die markierte Larve in einem zuvor bestimmten
Quadrat bzw. Suchbereich wiederzufinden. Gelingt dem Programm die Verfolgung
des Objektes nicht, dann springt es vom automatischen auf den manuellen
Modus und verlangt eine erneute Eingabe des Zielobjektes. Das Programm
erlaubt die Markierung und automatische Verfolgung von 5 Objekten
gleichzeitig.
Im Folgenden werden exemplarisch zwei Ergebnisse zur
Schwimmgeschwindigkeit für 37 und 65-Tage alte Wolfsbarschlarven verglichen. Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede in der
Schwimmaktivität sowohl zwischen den verschieden alten Wolfsbarschlarven,
den Substanzgemischen und deren verschiedenen Konzentrationen. Bei den
jüngeren Stadien scheint das Substanzgemisch Glycin & Betain in der
höchsten Konzentration (A_3) am attraktivsten zu sein; bei den anderen
Substanzgemischen und Naturextrakten unterscheiden sich die Kontrollen nicht
signifikant von den "Attractants". Bei den älteren Stadien zeigt
sich eine erhöhte Aktivität für fast alle Substanzgemische und Extrakte,
hier fallen besonders das Substanzgemisch Arginin, Histidin, Prolin,
Glycin in den beiden höheren Konzentrationen (C_2 & C_3) und der
Squidextract positiv auf. Diese exemplarischen Ergebnisse lassen vermuten,
dass die Attraktivität von MDs durch die Beimischung von "Attractants"
deutlich erhöht werden kann, bzw. die Futteraufnahme durch diese Substanzen
getriggert werden kann. Interessant ist auch der Umstand, dass für ältere
und jüngere Stadien offensichtlich verschiedene Präferenzen gelten. Die
Ergebnisse aus diesen Experimenten werden bei der Rezeptur der MD
Versuchschargen, die in der zweiten Projektphase getestet werden sollen,
berücksichtigt.
Vergleich der Schwimmgeschwindigkeit bei 37 (links) und 65-Tage (rechts) alten Wolfsbarschlarven unter dem Einfluss verschiedener
"Attractants" (schwarze Balken) und der Kontrollen (graue Balken) 10 Minuten
nach Beginn der Zugabe. Die Substanzgemische wurden jeweils in 3
verschiedenen Konzentrationen getestet (A_1, A_2, A_3…), die
Naturextrakte jeweils nur in einer Konzentration.
Zu den Zählungen zum Aufenthaltsort der Larven werden
hier beispielhaft einige Ergebnisse gezeigt, bei denen die die
Anzahl der Larven im Beobachtungsfenster aus der Kontrollgruppe mit denen
aus der "Attractant"-Gruppe verglichen wurde. Getestet
wurden hier ein Aminosäurengemisch in der geringsten Konzentration und ein
Extrakt aus gefrorenem Squid.
Vergleich der Anzahl an Larven im Beobachtungsfenster in 5-Minuten
Intervallen zwischen Kontroll-und "Attractant" Gruppe über einen Zeitraum
von insgesamt 30 Minuten. Die Blasengrösse
symbolisiert jeweils die relative Anzahl an Larven im Beobachtungsfenster.
Als "Attractant" wurde hier ein Gemisch aus Glycin, Betain, Alanin und
Arginin (B_1) in der niedrigsten von insgesamt 3 Konzentrationen getestet.
Links 35 Tage alte Wolfsbarschlarven, rechts 51 Tage alte Larven.
Vergleich der Anzahl an Larven im
Beobachtungsfenster in 5-Minuten Intervallen zwischen Kontroll-und
"Attractant"-Gruppe. Die Blasengrösse symbolisiert jeweils die relative
Anzahl an Larven im Beobachtungsfenster. Als "Attractant" wurde hier ein
Extrakt aus tiefgefrorenem Squid getestet. Links 35 Tage alte
Wolfsbarschlarven, rechts 51 Tage alte Larven.
Die Ergebnisse lassen sich vorläufig wie folgt
zusammenfassen:
- Der Versuchsaufbau
und die gewählten Auswerteverfahren wie das Multi-Object-Tracking und
die Aufenthaltsbestimmung waren geeignet um Schwimmstrecke und
Geschwindigkeit pro Zeiteinheit ermittelt.
- Bei 10 Substanzgemischen bzw. Extrakten konnten
ein Lockeffekt bzw. eine Erhöhung der Schwimmaktivitäten beobachtet werden.
- Es
konnte gezeigt werden, dass bei den untersuchten Wolfsbarschlarven
altersabhängige Präferenzen bestehen hinsichtlich verschiedener
Substanzgemische und natürlicher Extrakte.
- Die
Zugabe von Aminosäuren und natürlichen Extrakte als Zusatz zu Micro-Diets
scheint eine sinnvolle Maßnahme zu sein um die Futteraufnahme bei
Wolfsbarschlarven zu triggern
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